Dienstag, 10. Juli 2012
Rehabilitierung und Aufklärung der vertuschten Massenmorde von Bamberg
Am 12 Juli 2012 ist nun endlich so weit: auch in Bamberg will sich der Kultursenat der Stadt erstmals mit dem Thema der Rehabilitierung der ermordeten Opfer der Hexenverfolgung beschäftigen.
Nach vielen anderen Städten hat sich am 28. Juni 2012 der Rat der Stadt Köln einstimmig für eine sozialethische Rehabilitation der Opfer der Kölner Hexenprozesse ausgesprochen.
Deshalb ist es eine gute Gelegenheit diese beiden Städte zu diesem Thema zu vergleichen.
Köln war damals die grösste Stadt im heiligen römischen Reich mit ca. 40.000 Einwohnern. Die Zahl der bekannten Opfer liegt bei 38. Das bedeutet, dass jeder 1052ste Bürger dieser Stadt auf dem Scheiterhaufen sterben musste.
Im Gegensatz dazu lebten in Bamberg zur gleichen Zeit ungefähr 12.000 Menschen. Die Anzahl der Opfer dürfte bei mindestens 884 liegen - diese Zahl nehmen wir hier als Grundlage der Berechnung. Das bedeutet, das ca. jeder 13te Bürger Bambergs als Hexe oder Zauberer verbrannt wurde.
Rein mathematisch wurden in Bamberg also etwa 81 mal so viele Menschen verbrannt, wie in Köln.
Aber anders als in Bamberg, gibt es in Köln bereits seit 1988 eine Katharina Henot Strasse und seit 1992 eine Gesamt-Schule mit dem Namen der verbrannten Postmeisterin. Am Kölner Rathausturm wurde 1988 von einer direkten Nachfahrin Katharinas Henots, der Künstlerin Marianne Lüdicke eine Skulptur ihrer Ahnin installiert. Insofern darf man davon ausgehen, dass die Geschichte der Kölner Hexenverfolgungen einer breiten Bevölkerung durchaus bekannt ist.
Das stellt sich im UNESCO-Welterbe der Stadt Bamberg ganz anders dar: bis dato gibt es keinerlei sichtbare Anzeichen, Strassennamen oder gar ein Denkmal für die Massenmorde der katholischen Inquisition. Seltsamerweise gibt es dafür eine ANNA-MARIA-JUNIUS-Strasse in der Stadt Bamberg - sie war die Tochter des Bamberger Bürgermeisters Johannes Junius, der am 12 August 1628 auf dem Scheiterhaufen lebendig verbrannt wurde. Ihre späte Ehrung verdankt die ehemalige Dominikanernonne einer Klosterchronik in der sie vor allem die Folgen des 30-jährigen Krieges beschreibt. Den Doppelmord an ihren Eltern, die beide gefoltert und lebendig verbrannt wurden, erwähnt sie dagegen mit keinem einzigen Wort.
Wenn in Bamberg also noch gar nicht aufgeklärt wurde, wie kann man dann eine Rehabilitierung dieser Verbrechen in Angriff nehmen? Müsste die Bevölkerung dieser Stadt nicht zuerst komplett von den Ausmaßen dieser Massenmorde informiert werden?
Als Beispiel für die etwas abnorme Informationspolitik in Bamberg darf man folgende Tatsachen zur Kenntnis nehmen: im CBI-Genios-Archiv der einzigen Tageszeitung (Fränkischer Tag Bamberg) finden Sie bei der On-Line-Recherche nicht einen einzigen Eintrag unter dem Stichwort "MALEFIZ-HAUS. Es gibt in diesem Archiv also nicht einen einzigen Artikel, der sich dieses Themas annimmt.
Das könnte man z.B. mit der Stadt Dachau vergleichen: was würde man dazu sagen, wenn es in Dachau ebenfalls keinen Treffer beim Stichwort KONZENTRATIONS-LAGER geben würde?
Insofern darf man gespannt sein, wie der kleinste gemeinsame Nenner innerhalb dieser Sitzung aussehen wird ... und vor allem: was kommt danach?
Da Bamberg und Würzburg gemeinsam die absoluten Hochburgen der europäischen
Hexenverbrennungen waren, würde sich in beiden Städten auch ein spannendes Museum anbieten - zumindest aber die Errichtung einer angemessenen Gedenkstätte und wenn man es genau nimmt, dann sollten auch die jeweiligen Erzbischöfe in diese Gedenkkultur eintreten, denn schliesslich war es nun einmal unbestreitbar die katholische Kirche, die diese Massenmorde zu verantworten hat.
Dass es im Herbst eine Gedenkwoche zu den Hexenverbrennungen geben wird darf man wohl als erstes zartes Pflänzchen der Aufklärung betrachten. Aber das kann und darf es auf keinen Fall gewesen sein! Wagen wir den Blick ins 30 km entfernte Zeil am Main: dort hat man für 750.000 € eine Gedenkstätte im Hexenturm errichtet, obwohl in dieser Stadt niemals ein Mensch der Hexerei angeklagt oder verurteilt wurde, denn Zeil war nur der Brennplatz von Bamberg. Hier wurde nur das ausgeführt was der Bamberger Erzbischof angestiftet hatte.
Ein interessanter Ansatz wäre z.b. die Ahnensuche - denn in Bamberg leben ja immer noch Menschen, die von Namen her Nachkommen damaliger Opfer sein könnten. Das wäre doch auch für diese Menschen interessant zu wissen, was damals mit ihren direkten Vorfahren passiert ist.
Immanuel Kant fragte sich: Leben wir in einem aufgeklärten Zeitalter? Er antwortet: Nein! Wir leben in einem Zeitalter der Aufklärung, d. h. der Prozess des auf Vernunft begründeten Lebens ist niemals abgeschlossener Besitz, es bleibt ständige Aufgabe, sich der Gefährdungen eines humanen Zusammenlebens bewusst zu sein, sich um die Schaffung vernünftiger Verhältnisse zu bemühen und auch in symbolischen Handlungen Zeugnis abzulegen.
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